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Voluntourismus: Backpacker und die Wohltätigkeitsfalle

30.01.2015 Aus Von mwiersema

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Zahlreiche junge Backpacker, die mit iPad, Digitalkamera und Hochleistungsrucksack in Südostasien, Südamerika oder Afrika unterwegs sind, werden irgendwann vom schlechten Gewissen gepackt. Sie sehen die große Armut der Einheimischen und begreifen auf einmal wie privilegiert sie sind. Auch wenn sie gerade ganz stolz mit 20 US-Dollar am Tag auskommen und in einem stickigen Schlafsack mit fünf anderen Backpackern und gefühlt 35 Kakerlaken übernachten, warten zuhause doch Mutti und Vati mit gut gefüllter Geldbörse und die gut ausgestattete Studentenwohnung. Nun erwacht bei vielen der Wunsch, etwas Gutes zu tun. Armen Waisenkindern zu helfen oder einen Brunnen zu graben. Was zwar eigentlich gut gemeint ist, hat unter dem Namen Voluntourismus jedoch für mehr Probleme gesorgt als für sinnvolle Hilfe

Warum gutgemeinte Hilfe oft nur Schaden anrichtet

Kritiker des Voluntourismus (ein Kunstwort, das sich aus dem englischen „Volunteering“ und „Tourism“ zusammensetzt) merken an, dass es vielen Backpackern und anderen jungen Leuten letztendlich nicht darum geht, anderen etwas Gutes zu tun, sondern sich selbst: Der eigene Horizont soll erweitert werden und das wohlige Gefühl genossen werden, anderen zu helfen. Außerdem macht es sich später gut im Lebenslauf. Wie jedoch beispielsweise die achso süßen Waisenkinder eigentlich davon halten, sich alle paar Wochen auf neue fremde Personen einstellen zu müssen, spielt eine untergeordnete Rolle.

Clevere Geschäftemacher nutzen den Voluntourismus außerdem schon lange um die Naivität der reichen weißen Besucher auszunutzen. Ein bekanntes Beispiel kommt aus Kambodscha, wo regelrechte potemkinsche Dörfer entstanden sind: Kinder aus nahegelegenen Orten spielen hier Waisenkinder, obwohl sie eine Familie haben. Schließlich gibt es Geld zu verdienen.

Wie lässt sich wirklich sinnvoll helfen?

Natürlich gibt es trotzdem Möglichkeiten, sinnvoll zu helfen. Im Kleinen geht dies beispielsweise schon, indem einfach im Internet nach zuverlässigen Hilfsorganisationen vor Ort gesucht wird. Diese freuen sich über eine Geldspende um dringend benötigte Medikamente, Schulsachen oder ähnliches zu kaufen meist weit mehr als über einen Voluntouristen, der nur im Weg herumsteht. Geldspenden sind hier auch besser aufgehoben als in den Händen bettelnder Kinder. So herzzerreißend diese auch schauen mögen: Wird ihnen Geld gegeben, ermutigt das sie (und ihre Eltern) nur dazu, weiter zu betteln, statt in die Schule zu gehen und dank Bildung ein besseres Leben führen zu können.

Wer sich wirklich längere Zeit engagieren will, sollte vorher seine Hausaufgaben im Internet machen. Zahllose Agenturen bieten heute ihre Voluntourismus-Dienste an und schöpfen dabei ordentlich Geld für die Vermittlung ab. Kosten von 5000 Euro für zwei Wochen „Helfen in Afrika“ sind keine Seltenheit. Stattdessen ist es besser, sich mit bekannten großen Hilfsorganisationen in Verbindung zu setzen und sich ausführlich beraten zu lassen, wie und wo die eigene Hilfe sinnvoll ist. Oft haben die Menschen vor Ort ganz andere Bedürfnisse als das, was der weiße Besucher für wichtig hält.

Offen sein für anderes

Zwei Wochen sind natürlich nicht genug, um wirklich etwas zu erreichen. Wer es ernst meint mit dem Voluntourismus sollte nicht im Rahmen einer sechsmonatigen Backpacker-Tour durch Südostasien zwei Wochen für ein Waisenhaus in Kambodscha abknapsen, sondern die ganzen sechs Monate für wohltägige Zwecke nutzen. Und sich dann entsprechend vorbereiten. Dazu gehört beispielsweise eine gründliche Beschäftigung mit dem jeweiligen Land und der Kultur und dem Erwerb grundlegender Sprachkenntnisse. Vieles wird auf den Gast aus Deutschland fremd und seltsam wirken – doch ohne eine grundlegende Akzeptanz der kulturellen Unterschiede ist jeder Voluntourismus-Versuch schon zum Scheitern verurteilt. Wer jedoch ganz unvoreingenommen daran geht, wird im Laufe der Zeit eine Fülle unschätzbarer Erfahrungen machen und Freundschaften fürs Leben schließen.